Allgemeine News

Ein neues Jahr und neue Herausforderungen

01. Januar 2022

Auch dieses Mal haben die meisten von uns das neue Jahr im kleinen Kreise eingeläutet. Der Beginn eines neuen Jahres ist immer etwas Besonderes. Für einen kurzen Moment halten wir inne und lassen die vergangen zwölf Monate Revue passieren. Gleichzeitig ist mir und uns allen klar: die Welt steht natürlich nicht still, im Gegenteil, in den letzten Tagen konnten wir beobachten, wie sich weltweit die Konflikte zugespitzt haben oder ganz neu entflammt sind.

Es gibt viel zu tun in 2022 – und es steht somit auch viel Arbeit an! Ich wünsche Euch und Ihnen ein erfolgreiches und vor allem gesundes Neues Jahr.

Begonnen hatte es mit Widerstand gegen die massiv steigenden Energiepreise und wurde dann zu einem Protest gegen die Regierung insgesamt. In Kasachstan geht Präsident Kassym-Schomart Tokajew mit äußerster Brutalität und Gewalt gegen friedliche Demonstrierende vor. Nach offiziellen Angaben sind bereits über 160 Menschen ums Leben gekommen, Tausende verletzt und inzwischen über 6.000 Menschen inhaftiert worden. Die Lage in Kasachstan bleibt weiterhin angespannt und unübersichtlich, viele Fragen sind nach wie vor unklar. Auch und insbesondere, woher die gewalttätigen Provokateure stammen, die plötzlich landesweit aus friedlichen Protesten militante und blutige Ausschreitungen werden ließen. Mittlerweils patrouillieren nicht nur Soldaten aus Kasachstan in den Straßen der Metropolen und versetzen die Menschen in Angst. Ob es Präsident Tokajew mittelfristig gelingen wird, wieder Herr der Lage zu werden und weiter regieren kann, bleibt abzuwarten.  Schützenhilfe bekommt er schon einmal von russischen „Friedenstruppen“, die in Kasachstan aufmarschiert sind und die uns verdeutlichen, wie der Kreml auch hier seine Chance nutzt, den eigenen geopolitischen Einfluss auszuweiten und zu sichern.

Auch die Bedrohungslage im Osten der Ukraine bleibt hoch. Mit massiven Drohgebärden und zunehmend aggressiver Rhetorik hat sich Putin Gespräche mit den USA erpresst. Aktuell beraten Vertreter:innen der USA und Russland in Genf über die Situation. Sicher ist, jede Unsicherheit und jeder Riss in der Geschlossenheit der EU und der USA ist für Putin ein Gewinn. Denn es ist ohnehin völlig klar, dass Putin keinerlei Interesse an einem Kompromiss hat. Putins Vorstellung einer russischen Hegemonialmacht und einer nach russischem Vorbild gestaltete Einflusszone hat wenig mit der liberalen, europäischen Friedensordnung zu tun, deren unerschütterliches Fundament die territoriale Integrität der Staaten und die freie Bündniswahl ist.

Dramatische Wochen haben auch die Menschen im polnisch-belarussischen Grenzgebiet hinter sich. Die Lage bleibt angespannt, auch wenn Polen mittlerweile den Ausnahmezustand aufgehoben hat. Rund 11.000 Menschen sind in den letzten Wochen nach Deutschland ausgereist, weitere 2.000 Menschen sollen immer noch in polnischen, geschlossen Aufnahmeeinrichtungen sein. Gleichzeitig greift das Regime in Belarus zu immer ruchloseren Methoden gegen die eigene Bevölkerung. Wie am Fließband werden Menschen eingesperrt, gefoltert und verurteilt. Mehr als 400 politische Gefangene sitzen mittlerweile in Belarus in Haft. Selbst eine kleine Geste, wie der Transport von (roten) Tomaten in einer weißen Netztasche kann als Widerstand gewertet werden und ernsthafte Konsequenten zur Folge haben.

Im Dezember hat die EU das vorerst fünfte Sanktionspaket wegen anhaltender Menschenrechtsverletzungen und Instrumentalisierung von Migranten verabschiedet. Der Beschluss richtet sich auch gegen hochrangige politische Amtsträger des Lukaschenko-Regimes sowie gegen Unternehmen (wie Belavia Airlines), Reiseveranstalter und Hotels. Nur gravierende wirtschaftliche Einbußen werden Machthaber Lukaschenko zum Einlenken bewegen können. Solange das Regime liquide Mittel zum Erhalt seines Sicherheitsapparates zur Verfügung hat, wird sich an der Situation der Belarus:innen wenig ändern.

Zuletzt muss sich die Europäische Union selbst dieser Herausforderung stellen. Ein Auslagern in die Nachbarstaaten der EU ist keine Lösung. Solange es keine Lösung für eine gemeinsame Asylpolitik innerhalb der EU gibt, werden wir nicht angemessen auf eine solche Erpressungspolitik reagieren können.

In diesem Jahr werden mich natürlich auch weiterhin die Beitrittsperspektiven der Länder der östlichen Partnerschaft beschäftigen und die EU-Staatengemeinschaft wird sich intensiv um die Länder des Westbalkans kümmern müssen. Sei es der schwelende Konflikt in Bosnien- Herzegowina, die zunehmende Einflussnahme von Ländern wie China, Russland und der Türkei in den Ländern des westlichen Balkans, die zukünftige Ausrichtung des Energiesektors, Umweltzerstörung oder Korruption – in den nächsten Monaten geht es um viel, auch um die Glaubwürdigkeit der EU.  Russland oder China haben kein Interesse an Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Die neue Bundesregierung darf der Einflussnahme von antidemokratischen Autokraten auf dem Westbalkan nicht weiter unkritisch zusehen und muss den sechs Balkanstaaten eine echte Perspektive in der EU geben.

In der Silvesternacht sorgte die Kommission mit der Präsentation des ersten Entwurfes für einen sog. Rechtsakt zur Taxonomie für Diskussionsstoff. Im Grunde ein wichtiger Ansatz, soll die Taxonomie zukünftige Geldströme in den Energiesektor nachhaltiger lenken und es Anleger:innen zukünftig einfacher machen, ihr Geld wirklich so zu investieren, dass geplante Investitionen auf Nachhaltigkeit umgestellt werden. Langfristig soll so der Energiewende mehr Geld zu fließen. Gas und Atom nun als „Grün“ zu labeln, hat indes wenig mit Nachhaltigkeit zu tun.  Dabei ist Gas als fossiler Rohstoff nicht nur extrem klimaschädlich, es befeuert auch die Abhängigkeiten europäischer Länder vom Gasimport und Länder wie Deutschland und die deutsche Bundesregierung machen sich damit politisch noch erpressbarer. Ob und wie sich das grüne Label für Finanzprodukte dann tatsächlich an den Märkten bewähren wird, bleibt abzuwarten. Es bleibt zu hoffen, dass Kund:innen, die Wert auf Nachhaltigkeit legen, nicht von einem „übergangsweise-nachhaltig-Label“ blenden lassen.