Die EVP als Steigbügelhalter für die rechten Kräfte in der EU
In Bulgarien haben am 2. Oktober die vierten Wahlen innerhalb von zwei Jahren stattgefunden.

Erste Prognosen sehen die Partei GERB (EVP) des einst wegen Korruptionsvorwürfen als Regierungschef abgewählten Bojko Borrisow vorne. Dieser ist zwar nach wie vor politisch isoliert und wird von fast allen politischen Gegner:innen für die Korruption im Land verantwortlich gemacht, soll aber auf 24,6 Prozent der Stimmen der Bulgar:innen gekommen sein. Die Partei „Wir setzen den Wandel fort“, die den letzten bulgarischen Premierminister Kiril Petkov stellte, liegt mit 18,9 % an zweiter Stelle. Um den dritten Platz streiten sich die pro-russische Bulgarische Sozialistische Partei (12,5 %) und die anti-europäische pro-russische Partei Vazrazhdane (rund 10% %) sowie die Partei der türkischen Minderheit DPS (10,3 %), die sich auf eine große Unterstützung durch in der Türkei lebenden bulgarischen Bürger:innen türkischer Herkunft stützt. Die Partei „Es gibt ein solches Volk“, die den Sturz der letzten reformistischen Regierung, die nur etwas mehr als sechs Monate im Amt war, verursacht hat, liegt mit 5,4 % hinter der konservativen pro-russischen Partei „Bulgarischer Aufstand“ (4 %).
Die Wahlbeteiligung lag kurz vor Schließung der Wahllokale offenbar bei nur gut 35 Prozent.
Da es unwahrscheinlich ist, dass GERB und „Wir setzen den Wandel fort“ genügend Unterstützung für eine Regierungsbildung erhalten, ist das wahrscheinlichste Ergebnis, dass die Bulgar:innen gezwungen sein werden, zum fünften Mal zu wählen, und dass Präsident Rumen Radev Bulgarien weiterhin als Präsidialrepublik und nicht als parlamentarische Republik regieren wird. Die Verfassung des Landes verleiht dem Präsidenten in einer Situation mit einer gestürzten Regierung und einem aufgelösten Parlament enorme Macht. In diesen Zeiten könnte er das Land mit nahezu unbegrenzten Befugnissen regieren.
Präsident Radev, der mit bereits Aussagen wie „Die Krim gehört zu Russland“ von sich reden gemacht hat, wird Bulgarien weiter in den russischen Orbit führen. Er war ausschlaggebend für die Überprüfung der Position des ehemaligen Premierministers Petkov gegenüber Gazprom und versuchte, Verhandlungen über die Wiederaufnahme der ausgesetzten Gaslieferungen aufzunehmen.
Der derzeitige politische Aufruhr wurde jedoch vor allem durch das EVP-Mitglied GERB verstärkt, die die von Kiril Petkov geführte fortschrittliche bulgarische Regierung gestürzt hat, deren Ziele vor allem die Bekämpfung der Korruption und die Normalisierung der Beziehungen zu Nordmazedonien waren.
Die offene Unterstützung der Europäischen Volkspartei für den mutmaßlich korrupten GERB-Vorsitzenden Bojko Borissow, der nicht nur beschuldigt wird, der Kopf großer Korruptionsfälle in Bulgarien zu sein, sondern auch einen Generalstaatsanwalt eingesetzt zu haben, der alle Versuche einer Anklage von Borissow verhindern wird, war von entscheidender Bedeutung für den Sturz der Reformregierung von Petkov und für die internationale Unterstützung für Borissow.
Im Rahmen der internationalen Unterstützungskampagne für Borissovs GERB ging die EVP so weit, eine Plenarsitzung des Europäischen Parlaments zum Thema „illegale Inhaftierung des Oppositionsführers“ abzuhalten und damit nicht nur die Institution des Europäischen Parlaments für den Wahlkampf in Bulgarien zu missbrauchen, sondern auch einen beispiellosen Angriff des Parlaments auf die gesamte frühere Pro-EU und Reformregierung auszulösen. Damit erleichtert und fördert die EVP in einem entscheidenden geopolitischen Moment – genau wie in Italien – die Rückkehr von Akteuren, die sich anti-EU, anti-demokratisch und pro-Putin entscheiden werden. Darüber hinaus gefährden sie die kaum erreichte Normalisierung der Beziehungen zu Nordmazedonien und ermöglichen zudem ein tieferes Eindringen Russlands in die Balkanregion.
Sollte schließlich die von der EVP unterstützte GERB die Macht in Sofia übernehmen, würde dies der russischen Medienpropaganda, der Einmischung in EU-Angelegenheiten von innen und der völligen Untergrabung der EU-Einheit gegen die russische Aggression in der Ukraine Tür und Tor öffnen.